Viel wurde in den letzten 25 Jahren über Familienpolitik, Kinderbetreuung, Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie Berufstätigkeit von Frauen, insbesondere von Müttern, diskutiert. Die Ausgangssituationen in Ost und West waren sehr unterschiedlich, im Wesentlichen wurden die von Eltern vorgelebten Beispiele kopiert und waren nicht so schnell zu verändern. Neuere Veröffentlichungen sprechen aber auch von einer unterschiedlichen Herangehensweise in der Familienpolitik in Ost und West: So waren vor 1990 in der DDR (also auf dem Gebiet der neuen Bundesländer) fast 88 Prozent der Frauen mit Kindern unter 14 Jahren berufstätig, in der Alt-BRD dagegen weniger als 60 Prozent.
In den 90er Jahren wurde eine „ungebrochene Erwerbsneigung der ostdeutschen Frauen“ thematisiert (u.a. Stoiber, Biedenkopf), die auch für die hohe Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern verantwortlich wäre. Alle Formen von gesellschaftlicher Kinderbetreuung und Kitabesuch vor dem 3. Lebensjahr wurden verteufelt und die betreffenden Frauen als „Rabenmütter“ diffamiert.
Das hat sich zwar geändert: Langsam, ganz allmählich gleichen sich die Quoten der Berufstätigkeit von Frauen in den alten und neuen Ländern an; anfangs allerdings vor allem bedingt durch Rückgang im Osten, inzwischen aber zunehmend durch ansteigende Werte in West und Ost in den letzten Jahren. 2013 arbeiteten ca. 71 Prozent aller Mütter, wenn auch großenteils nicht in Vollzeit.
Allerdings sind dafür nicht zuletzt die demographische und die damit zusammenhängende Entwicklung des Arbeitsmarktes maßgebend: Während in den Jahren nach der Wende im Osten viele Frauen und Familien - u. a. bedingt durch unsichere berufliche Perspektiven - auf Nachwuchs verzichteten, ist durch die sogenannten geburtenschwachen Jahrgänge (die Kinderzahl hatte sich ja Anfang der 90er fast halbiert), ein Mangel an Auszubildenden und Fachkräften entstanden, während sich die Wirtschaft an das „Überangebot“ an Arbeitskräften gewöhnt hatte.
Nun erinnert man sich - wie immer, wenn der Wirtschaft „Humankapital“ fehlt - der „Arbeitskraft Frau“. Mit gesetzlichen Regelungen wie dem Elterngeld, dem Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz ab dem 2. Lebensjahr und auch Quotenregelungen in einigen Bundesländern wurden staatliche Rahmenbedingungen geschaffen, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, besonders für Frauen, zu ermöglichen.
Aber reicht das? Ist damit schon die die Gleichstellung von Frauen in der Arbeitswelt erreicht? Lassen sich nur durch marktwirtschaftliche und monetäre Anreize jahrhundertealte Familienbilder und Rollenmuster verändern?
Ich glaube nicht - und einige Studien in den letzten Jahren bestätigen das. Noch immer sind es überwiegend Frauen, die sich der Kindererziehung widmen, sowohl im ersten Lebensjahr des Kindes als auch danach. Väter nehmen in der Regel - wenn überhaupt - nur die zwei „Pflichtmonate“ in Anspruch, um die volle Zeit des Elterngeldbezuges auszunutzen. Die Mütter bleiben dagegen meist ein volles Jahr zu Hause, oft auch länger, wenn danach - trotz gesetzlichen Anspruchs - nicht gleich ein Kita-Platz zur Verfügung steht. Im ländlichen Raum ist durch einen stark ausgedünnten ÖPNV (das Familienauto fährt oft der Mann) und auch verkürzte Öffnungszeiten von Kindertagesstätten die Betreuung der Kinder von Müttern, die in Vollzeit oder gar im Schichtsystem arbeiten, schlicht nicht möglich. Oft gehen Frauen / Mütter nach dem ersten Lebensjahr des Kindes freiwillig in Teilzeit, oft mit fatalen Folgen. Wenn nicht vorher anders vereinbart, ist es schwer, der „Teilzeitfalle“ zu entkommen. Viele Arbeitgeber machen den Vorschlag, statt in Teilzeit in einem Minijob zu arbeiten und so die Sozialabgaben zu sparen. Dies ist aber vor allem für den Arbeitgeber von Vorteil. Die Mutter erwirbt nur geringe Rentenansprüche, was folgerichtig in vielen Fällen zu Altersarmut von Frauen führt. Bei alleinerziehenden Müttern potenzieren sich diese Probleme.
Ein weiteres Problem ist die ungleiche Bezahlung in gleichwertigen Berufen. Noch immer ist es gesellschaftliche Realität, dass sogenannte „Frauenberufe“ deutlich schlechter bezahlt werden als Berufe, die hauptsächlich Männer ausüben. Die Streiks im Sozial- und Erziehungsbereich im ersten Halbjahr 2015 haben dies nochmals drastisch verdeutlicht. Etwa 22-23 Prozent beträgt die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern. Sie entsteht zum Einen durch die schlechtere Einstufung der „Frauenberufe“, zum Anderen aber auch aufgrund des durch Kinder- und Erziehungspausen bedingten Zurückbleibens von Frauen auf der Karriereleiter. So ist z. B. eine zweimalige Berufsunterbrechung von einem Jahr durch die Geburt eines Kindes nur schwer zu kompensieren. Hier könnten zwar Quoten helfen, aber natürlich nur flächendeckend und in allen Bereichen und Branchen. Ein „Quötchen“ wie die 30%-Quote für die Aufsichtsräte von Dax-Unternehmen, wie im letzten Jahr durch die Bundesregierung beschlossen und als großer Durchbruch gefeiert, kann da - schon rein quantitativ - nicht die Lösung sein. Seit langem fordern Gewerkschaften und Oppositionsparteien ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft - bisher vergebens.
Noch zu oft wird der „Schwarze Peter“ den Frauen zugeschoben: Sie seien nicht fordernd genug bei Gehaltsverhandlungen, steckten oftmals zurück, um dem Mann den “Rücken freizuhalten“, wenn dieser im Beruf stark gefordert ist, also Karriere macht, sie hätten einfach nur den falschen Beruf gewählt, also einen typischen „Frauenberuf“ oder sie hätten das Falsche studiert, womöglich eine geisteswissenschaftliche Richtung, statt eines MINT-Faches. Natürlich mag an diesen Argumenten ein Stückchen Wahrheit sein, aber ich sehe immer noch vor allem die Politik in der Frage der Gleichstellung der Geschlechter in der Verantwortung.
Das beginnt mit der Veränderung stereotyper Rollenbilder bei der Erziehung in Familie, Kita und Schule, der Schaffung von gesetzlichen Rahmenbedingungen, wie verbindlichen Quoten in allen Bereichen und reicht bis hin zu „Equal pay“, also gleichem Lohn für gleichwertige Arbeit. Aber auch die gesellschaftlichen Normen sind anzusprechen, wie die Selbstverständlichkeit der Unterbringung von Kindern in Gemeinschaftseinrichtungen als Normalfall oder die Möglichkeit von Teilzeit-, Telearbeits- oder Homeoffice-Arbeitsmöglichkeiten auch für Führungskräfte.
Dazu ist aber vor allem ein breites Umdenken in Sachen Gleichstellung notwendig und diese als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu begreifen.
Kategorien: Arbeitsgemeinschaften
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