Über 8.500 Menschen sind 2017 in DIE LINKE eingetreten. Auch 2018 hält dieser positive Trend an. Der Parteitag stand deshalb unter dem Motto: "Gemeinsam mehr werden. Gerechtigkeit ist machbar."
Das Motto passt aber gut zu den Konflikten der letzten Monate zwischen Parteivorstand und Fraktionsvorsitzenden. Denn nun gehen wir wieder einen gemeinsamen Weg.
Von Freitag, den 8. Juni bis Sonntag, den 10. Juni fand der Bundesparteitag in Leipzig statt. Neben der Konstituierung und dem Frauenplenum stand am Freitag die kämpferische Rede unseres Bundesvorsitzenden Bernd Riexinger auf der Tagesordnung. An der sich daran anschließenden Generaldebatte wollten sich über 90 Delegierte beteiligen. Da aber auch auf unseren Bundesparteitagen nur begrenzt Beratungszeit zur Verfügung steht, wurden die Reden ausgelost.
Nachdem der Parteitag dem geplanten Ende um 22.00 Uhr immer näher kam, wurde der Antrag auf Verlängerung bis 22.30 Uhr mehrheitlich angenommen. So konnten noch ein paar Redner*innen in der Generaldebatte zu Wort kommen.
Der Samstag begann mit dem Bericht des Vorsitzenden des Ältestenrates Hans Modrow, in dem viele Zeit- und gesellschaftskritische Themen angesprochen wurden. Danach stand der Leitantrag "Partei in Bewegung" im Fokus des Parteitages. Dieser wurde, nach der Behandlung von etlichen Änderungsanträgen, mit Zustimmung von fast allen Delegierten angenommen. Ein weiterer Antrag hatte zum Ziel, sich mit einer neuen, ergänzenden programmatischen Debatte in unserer Partei befassen. Dieser wurde von der Tagesordnung gestrichen, so dass aktuell der Status quo bestehen soll.
Unsere Bundesvorsitzende Katja Kipping betonte in ihrer Rede das Wachstum unserer Partei. Sie wies aber auch deutlich darauf hin, dass die Streitigkeiten, die in den letzten Monaten immer wieder öffentlich über die Presse ausgetragen worden waren, unserer Partei nicht gutgetan haben und nun endlich beendet sein müssen.
Nach der Mittagspause fanden dann die Wahlen des Parteivorstandes statt. Die beiden bisherigen Bundesvorsitzenden Katja Kipping (64,5%) und Bernd Riexinger (73,8%) wurden wiedergewählt. Medien deuten dieses Ergebnis gerne als Rückschlag für Katja und Bernd. Jedoch erhalten die kandidierenden Vorsitzenden generell selten höhere prozentuale Ergebnisse in unserer Partei.
Als Stellvertreter*innen wurden dieses Mal sechs Personen gewählt: Simone Oldenburg, Martina Renner, Janine Wissler, Ali Al-Dailami, Tobias Pflüger sowie Axel Troost. Die Wahl des Bundesgeschäftsführers war spannend. Der vom Parteivorstand empfohlene Jörg Schindler setzte sich knapp gegen Frank Tempel im 2. Wahlgang durch. Im 1. Wahlgang hatte keiner der beiden die notwendige 50 Prozent Mehrheit der Stimmen erzielt.
Nach einer beeindruckenden, den Internationalismus und unsere Solidarität in den Fokus stellenden, Rede von Gregor Gysi wurde anschließend die gemischte Liste bis spät in den Abend hineingewählt. Bemerkenswert dabei war, dass aufgrund unserer internen Regeln, dass nur ein bestimmter Prozentsatz an Mandatsträger*innen im Parteivorstand sitzen darf, am Ende sechs Kandidierende aus dem Parteivorstand heraus fielen und Nicht-Mandatsträger mit weniger Stimmanteilen nachrückten.
Am Sonntagmorgen ging es dann auch relativ schnell mit der Wahl der gemischten Liste weiter. Am Ende steht ein bunt gemischter neuer Bundesvorstand. Viele verschiedene Themen, die von den Mitgliedern schwerpunktmäßig bearbeitet werden wollen, machen Hoffnung, dass inhaltlich an vielen Punkten weitergearbeitet und unsere Partei vorangebracht wird.
Nach den Wahlen zum Parteivorstand hielt Sahra Wagenknecht am Sonntag ihre pointierte Rede als Fraktionsvorsitzende. Jedoch lösten manche ihrer Worte bei einigen Delegierten Protest aus. Die Stimmung auf dem Parteitag war danach sehr angespannt und es fand im Anschluss eine kurzfristig beantragte Debatte zum Thema Flucht, Migration und den öffentlichen Positionierungen von Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine statt. In dieser Diskussion wurde heiß debattiert, wobei fast alle Redner*innen fair miteinander umgingen, bei der Sache blieben und ihre Positionen darlegten. Das rege Interesse von über 100 Wortmeldungen verdeutlichte, dass Bedarf zur Aussprache bestand. Unter anderem sorgte die Debatte dafür, dass Sahra, Katja, Bernd und Dietmar im Anschluss noch einmal gemeinsam auf die Bühne gingen und verkündeten, dass sie nach dem Bundesparteitag in einer internen Klausur von Bundestagsfraktion und Parteivorstand die Probleme miteinander besprechen und eine wissenschaftliche Konferenz zu linken Antworten auf Flucht und Migration anbahnen wollen.
Im Anschluss hielt Bodo Ramelow, der linke Ministerpräsident von Thüringen, eine beachtenswerte Rede. Unter anderem erklärte er sehr deutlich, warum es nicht egal ist, ob ein linker Ministerpräsident, oder einer mit CDU-Parteibuch in Thüringen regiert. Danach verabschiedeten die Delegierten noch weitere Anträge, andere wurden an die verschiedenen Gremien übermittelt.
Mathias Fröck:
"Ich bin insgesamt halbwegs zufrieden mit dem Parteitag und dem neuen Bundesvorstand. Die inhaltliche Debatte, die am Sonntag nach der Rede von Sahra Wagenknecht entbrannt ist, hätte sich glaube ich nicht vermeiden lassen. Zuviel Streit und Probleme sind in den letzten Monaten aufgetreten, als dass der Parteitag sich damit nicht hätte beschäftigen müssen. Der Kompromiss, dass Bundes- und Fraktionsvorsitzende noch einmal zusammensitzen und versuchen, die Probleme aus der Welt zu bringen, ist, glaube ich, das bestmögliche Ergebnis für alle. Jetzt kommt es darauf an, wie ernst es alle Beteiligten damit meinen.
Leider war der Parteitag am Samstag und Freitag nicht bereit, tiefer gehende Debatten, wie zu einer neuen Programmdebatte zuzulassen. Egal, ob man den Antrag gut oder schlecht gefunden hat, zumindest behandeln hätte man ihn können. Wie sollen wir uns als Linke denn weiterentwickeln, wenn wir inhaltlich nicht streiten und neue Ideen diskutieren. Vielleicht gehe ich mit zu viel Hoffnung in Bundesparteitage, dass wir von dort hinaus manche Antworten auf gesellschaftliche Fragen geben und nicht immer strittige Fragen offenlassen. Manchmal wäre es vermutlich besser, wenn wir Entscheidungen treffen und sie nicht weiter vertagen würden… ich hoffe, wir kommen als Partei irgendwann dazu, dass wir mehr Antworten geben."
Nick Prasse
"Für mich wurde deutlich, dass sich die Basis, die Delegierten, wünschen, dass Konflikte nicht über die Medien ausgetragen werden, sondern parteiintern gelöst. Dabei muss es keine endgültigen Lösungen auf globale Problemlagen geben. Zu einer gesellschaftlich-rückgebundenen Partei gehört ein realistischer Blick auf Migration und Integration ebenso wie ein universalistisches Verständnis von Solidarität.
Die Verbindung zwischen positiven Visionen und radikalen realpolitischen Handlungsstrategien steht der Linken gut zu Gesicht. Gelebte Pluralität und gelebte Debattenkultur stehen im Zentrum linker Identität. Für mich zeigte der Parteitag vor allem eines: wir sollten Meinungskorridore offen lassen!
Unsere frühere Vorsitzende Gesine Lötzsch sagte in ihrer Rede auf dem Erfurter Programmparteitag: "Die Empörung über andere Genossen sollte in unserer Partei nie größer sein als die Empörung über die sozialen Verhältnisse. Lasst uns gemeinsam unser Land, unser Europa und unsere Welt gerechter und solidarischer gestalten." Wir alle sollten uns dies zu Herzen nehmen. Wir sollten das Gemeinsame und nicht das Trennende in den Mittelpunkt unserer täglichen Politik stellen. Von einem der letzten Bilder des Parteitages, dem gemeinsamen Auftritt von Sahra, Katja, Bernd und Dietmar, als sie eine gemeinsame Klausurtagung von Parteivorstand und Fraktion sowie eine Konferenz über Wege einer solidarischen Einwanderungspolitik ankündigten, ging ein Funken dieser Hoffnung aus. Lassen wir ihn nicht verglühen."
Kategorien: DIE LINKE. Görlitz
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