Die Wahlerfolge der AfD zur Bundestagswahl im Herbst 2017 haben alle anderen Parteien aufgeschreckt und hecktisch nach Ursachen für die eigenen Verluste suchen lassen – mit unterschiedlichen Ergebnissen.
Der zwischen CDU und SPD ausgehandelte Koalitionsvertrag zeugt jedenfalls nicht davon, dass die Verantwortlichen in diesen Parteien verstanden haben, warum eine rechtsgerichtete Partei in so kurzer Zeit erfolgreich sein konnte.
Aufschluss über diese Entwicklung gibt die Veröffentlichung der Friedrich-Ebert-Stiftung eines Beitrages von Sigrid Betzelt und Ingo Bode mit dem Titel "Angst im Sozialstaat – Hintergründe und Konsequenzen" (Wiso direkt 38/2017). Die Autoren analysieren, warum trotz guter wirtschaftlicher Entwicklung in Deutschland, die Angst vor sozialem Abstieg zugenommen und welche Konsequenzen das hat. Sie belegen am Beispiel der Einführung von Hartz IV, wie das Schleifen der sozialen Errungenschaften (Schutz der Arbeitskraft vor Marktzwängen und der Wettbewerbsökonomie, Sicherung eines Mindestmaßes an gesellschaftlicher Teilhabe auch im Alter oder bei Arbeitslosigkeit) in existenzielle Risiken führte und den sozialen Abstieg begünstigte.
Das ging einher mit Drohungen, die noch mehr Angst erzeugten, wie z. B. schärfere Zumutbarkeit von Jobs, starke Eingriffe in die Privatsphäre durch Offenlegung der privaten Umstände sowie undurchschaubare Verwaltungsprozesse. Ähnlich verhält es sich bei der Alterssicherung. Aus Angst vor demografischer Überlastung und höheren Sozialabgaben wurde das solidarische Rentensystem aufgeweicht und eine individuelle Alterssicherung an die Stelle gerückt. Wer die nicht bedienen kann, hat Pech gehabt und ist im Alter auf Grundsicherung angewiesen. Das erzeugt ein Gefühl des ständigen Drucks und der Hilflosigkeit, wie wir es selbst bei Betroffenen oft erlebt haben, denn aus dieser Entwicklung ist aus eigener Kraft selten zu entkommen.
Darauf reagieren die Menschen unterschiedlich – manche mit Lethargie, andere mit Anpassung und wieder andere mit Aggressionen. Oder man sucht sich Schuldige, die eben einige in den Flüchtlingen und Migranten gefunden haben wollen. Das hat die AfD bereitwillig und bisher leider erfolgreich aufgegriffen.
Um diesen Teufelskreis zu beenden schlagen die Autoren vor:
"Nur eine konsequente Abkehr vom Prinzip des individuellen Risikomanagements mit all seinen verängstigenden Folgen (eines möglichen Scheiterns) kann die Angstspirale durchbrechen. … Die im neoliberalen Zeitalter angezogenen Daumenschrauben der Re-Kommodifizierung wären zu lockern, die Bürger*innen stärker von Marktzwängen zu entlasten. Verbesserungen der sozialstaatlichen Infrastruktur sind hier ein Mittel unter vielen, denn sie stiften Sicherheit und stärken gesellschaftlichen Zusammenhalt, sofern kostenfreie und qualitativ hochwertige Leistungen für alle vorgehalten werden."
So lange SPD und CDU nicht begriffen haben, dass sie mit den Hartz-Gesetzen selbst die Steilvorlage für die AfD geliefert haben und sie schnellstens abschaffen, wird sich am Rechtsruck in Deutschland nichts ändern. Aufgabe der LINKEN muss es sein, auf diese Zusammenhänge immer wieder hinzuweisen.
Kategorien: DIE LINKE. Görlitz
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