Ein Kriegsmonat 1918 in Erinnerung meines Vaters
Brief eines 18 jährigen Soldaten im 1. Weltkrieg, der nach 2 Jahren Krieg im Lazarett in Sedan seine Gedanken zur aktuellen Situation an der Front niedergeschrieb.
Zu einigen geschichtlichen Fakten
Vor 100 Jahren 1918, wurde in vielerlei Hinsicht Geschichte geschrieben. Deutschland führte das vierte Jahr Krieg in Ost und West. In Russland waren das Zarenregime und die Übergangsregierung gestürzt, die Bolschewiki hatten die Macht übernommen und Frieden proklamiert. Die russische Armee löst sich auf, die deutschen Truppen hatten freie Bahn.
Am 3. März wird in Brest der Friede zwischen dem Kaiserreich und der sowjetischen Regierung geschlossen. Deutschland triumphiert. Riesige Gebiete des zaristischen Imperiums fallen in deutsche Hände: das Baltikum, Polen, Weißrussland, die Ukraine, Teile Russlands mit der Krim, insgesamt 760 000 Quadratkilometer mit einer Bevölkerung von 56 Millionen Menschen.
Die deutschen Truppen besetzten am 8. April Charkow, am 22. April Simferopol, am 8. Mai Rostow am Don. Russland musste Deutschland Kontributionen in Höhe von 6,5 Milliarden Mark zahlen. Noch im September 1918 wurden per Eisenbahn 93,5 Tonnen Gold nach Deutschland verbracht.
Der Brester Frieden hatte für Deutschland noch eine zweite militärische Konsequenz: 500 000 Soldaten konnten an die Westfront verlegt werden. So breitete sich neue Hoffnung auf den Sieg aus, kommt neue Euphorie auf.
Ende des ersten Weltkrieges und des deutschen Kaiserreiches
Mitte 1918 treten die deutschen Truppen zusammen mit ihren Verbündeten an der Westfront zu einer neuen Offensive an. Das Ziel ist die Einnahme von Paris. Die ersten Tage verlaufen erfolgreich - Durchbruch auf 60 Kilometer, 50 000 Gefangene. Bis Paris verbleiben 56 Kilometer. Aber es gelingt nicht. Die Truppen der Entente, nun unterstützt durch die frischen amerikanischen Divisionen, halten stand. Am 6. Juni befiehlt General Ludendorff die Einstellung der Angriffe. 160 000 deutsche Soldaten sind gefallen.
Aber noch glimmt in der deutschen Heeresführung die Hoffnung auf den Endsieg. Auf in die letzte und entscheidende Schlacht!
Verstärkt mit den freigewordenen Truppenverbänden aus dem Osten beginnt am 15. Juli im Raum von Reims mit 40 Divisionen eine neue, diesmal die letzte Offensive. Der Angriff kommt bald zum Stehen. Am 18. Juli gehen 16 französische und 8 amerikanische Divisionen zum Gegenangriff über. Die deutschen Verluste betragen 168 000 Tote und Verwundete, 30 000 gehen in Gefangenschaft. Es beginnt das Ende des Ersten Weltkrieges und damit des Deutschen Kaiserreiches.
Brief eines jungen Soldaten im ersten Weltkrieg
Mein Vater, Telegraphist im Kraftwagen-Fernsprech-Bauzug 1915, wurde am 6. Juli 1918 mit seiner Einheit an die Reims-Front verlegt. Im Verlaufe eines Vorgefechtes wird er verwundet und kommt in ein Lazarett nach Sedan. Dort schreibt er am 8. August seine Gedanken nieder:
" ... warteten wir auf den Vormarsch. Aber schon die ersten zurückkehrenden Infanteristen, welche verwundwet waren, verkündeten uns,dass sie vorne festliegen und nur 3-4 km erreicht haben. Unsere Artillerie hatte wie blödsinnig auf die erste Stellung getrommelt und die stürmende Infanterie stellt fest, dass sich nicht ein einziger Schwanz im 1. Graben befunden hatte... Es ist zwecklos; denn wir siegen und der Franzmann gewinnt den Krieg und nach Paris werden wir nie kommen. Vielleicht noch als Gefangener, um dort die Straßen zu kehren... Nur schade um die lieben Kameraden, die alle Tage ins Gras beissen müssen. Wenn man so vor diesem oder jenem Heldengrab oder noch unbeerdigten Toten steht, fragt man sich unwillkürlich: Wofür? Nur gut, dass die lieben Hintewrbliebenen nicht sehen, wie ihr Söhne hier draussen rumliegen..."
Mein Vater war damals 18 Jahre alt und zwei Jahre im Krieg.
Kategorien: Arbeitsgemeinschaften
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