Interview mit Kathrin Kagelmann zum Integrationsonzept
Interview mit Kathrin Kagelmann, Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE im Kreistag Görlitz zum „Konzept zur Förderung der Integration von Geflüchteten/Asylsuchenden/Migrant*innen im Landkreis Görlitz“
An welchen Personenkreis wendet sich das Integrationskonzept und warum wurde ein sehr verwaltungsfreundlicher Sprachstil verwendet?
Kathrin Kagelmann: Zum besseren Verständnis eines Papiers trägt bei, wenn Inhalt und Form an die Sprache der Adressaten angepasst wird. Da das Integrationskonzept ein Beschlussvorschlag an die Landkreisverwaltung darstellt, ist die verwendete Sprache folglich eine tendenziell verwaltungstechnokratische. Sie entspricht damit nicht den Regeln für eine barrierearme, einfache Sprache. Da das Konzept aber weder ein politisches Handlungspapier noch eine Informationsbroschüre für die Allgemeinheit darstellt, ist diese Sprache aus unserer Sicht angemessen – was Fehler im Einzelnen nicht ausschließt.
Die AutorInnen erheben auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit - erst einmal, weil ihnen eine Landkreisverwaltung von über 1000 Beschäftigten gegenübersteht, zu deren unmittelbarem Aufgabenbereich die Organisation der Integration gehört. Allerdings ist die Landkreisverwaltung augenscheinlich nicht in der Lage, das bereits mehrfach angekündigte Konzept zu liefern. Zur letzten Hauptausschussberatung verschob Landrat Lange zum wiederholten Male die Einbringung der Vorlage des Landkreises. Jetzt soll sie im Oktober kommen. Insofern setzen wir als Linksfraktion einen Impuls, im Übrigen einen sehr eindrucksstarken, wie erste Reaktionen zeigen. Und wir erhoffen uns, obwohl uns die Erfahrungen der letzten Jahre dazu nicht ermutigen, einen Diskussionsprozess, der das Konzept inhaltlich aufwertet. Anregungen werden deshalb gern aufgenommen.
Warum wird im Punkt Spracherwerb keine Aussage zum nötigen Umfang und Inhalt der Sprachausbildung gemacht?
Kathrin Kagelmann: Im Teilziel Spracherwerb geht es um die organisatorische Absicherung der Sprachkurse. Dafür ist der Landkreis unmittelbar verantwortlich. Inhalte werden nicht thematisiert. Wir haben damit reagiert auf die Tatsache, dass nicht jede/r Migrant/in, der/die das wünscht, aktuell an einem Sprachkurs teilnehmen kann. Dies ist neben politischen Barrieren u.a. dem Umstand geschuldet, dass nicht genügend Lehrpersonal vorhanden ist bzw. finanziert wird. Deshalb wird zumindest eine Basis-Sprachausbildung auch noch zu einem nicht unerheblichen Anteil ehrenamtlich durchgeführt. Allerdings sind Umfang und Inhalt der Sprachausbildung abhängig von sozialer Herkunft, Bildungsstand und schulischer/beruflicher Perspektive der/des Migranten/in. Gerade daraus resultiert eine große Differenzierung bei den Erfordernissen der Sprachvermittlung. Insofern kann die Zielerreichung (ein bestimmtes Zertifikat) sehr unterschiedlichen Bedarf an Sprachunterricht nach sich ziehen. Eine Stundenfestlegung ist da möglicherweise kontraproduktiv, eine flexible Regelung am Bedarf des Einzelnen aufwändiger aber besser.
Was spricht dafür, dass Asylsuchende nach Erhalt eines Aufenthaltstitels in ihren Wohnungen bleiben dürfen?
Kathrin Kagelmann: Mit dem Erhalt eines Aufenthaltstitels wechseln die Asylsuchenden i.d.R. „nur“ den Rechtskreis und den Kostenträger, der ihre Unterhaltsleistungen berechnet und bewilligt. Sie bleiben auf staatliche Hilfeleistungen angewiesen (egal in welcher Höhe und nach welchem Rechtskreis definiert), bis sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können. Insofern geht es darum, diesen „bürokratischen Übergang“ so einfach wie möglich zwischen den zuständigen Verwaltungen zu regeln, was außerdem Umzugs- und Einrichtungskosten sparen und zudem die Integration im Wohngebiet unterstützen würde. Ideale „Verweisungsebene“ für uns wäre hier das sogenannte „Übergangsmanagement“ (ein Begriff, den die Verwaltung selbst prägte und den wir folglich aufnehmen) – wenn es denn funktionieren würde.
Dieser Punkt wurde sehr bewusst anders formuliert, als es die aktuelle, uns in Gesprächen mit Wohnungsbaugesellschaften geschilderte Verwaltungspraxis hergibt. Diese Verwaltungspraxis kritiklos hinzunehmen, ist aber nicht Aufgabe der Linksfraktion! Dieser Punkt wurde sehr ausführlich auf unserer Konferenz am 9. 9. diskutiert. Vertreter der Wohnbaugesellschaft Zittau und vom Paritätischen Wohlfahrtsverband unterstützen diese Forderung und kritisieren hier einen „Mangel an Bereitschaft zu pragmatischen Lösungen“ bei der Landkreisverwaltung.
Wie kann der Landkreis für eine ausreichende Bereitstellung von Kita- und Schulplätzen sorgen?
Kathrin Kagelmann: Der Kreis ist verantwortlich für die „Bedarfsplanung von Kindertagesstätten“, die er in Abstimmung mit den Kommunen und Trägern der Einrichtungen regelmäßig im Jugendhilfeausschuss beschließt.
Außerdem ist der Kreis verantwortlich für die Schulnetzplanung, bei der gerade jüngst über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nach der Klage der Stadt Seifhennersdorf gegen den Schulnetzplan des Landkreises die Mitsprache der Kommunen gestärkt wurde.
Warum soll eine unabhängige Asylverfahrensberatung nicht über die Verwaltung sondern die Verbraucherschutzzentralen organisiert werden?
Kathrin Kagelmann: Die Verbraucherzentrale Sachsen berät BürgerInnen zu unterschiedlichen Rechtsfragen. Sie haben über eine lange Praxis hohes Ansehen aufgrund ihrer Professionalität und Unabhängigkeit erworben.
Eine Asylverfahrensberatung gibt es in unserem Landkreis nicht. Die nächste Anlaufstelle für eine qualifizierte (!) Rechtsberatung in Asylverfahrensfragen befindet sich Dresden.
Aus dieser Konstellation ergibt sich eine Ungleichbehandlung von Asylsuchenden zwischen Großstadtzentren und dem ländlichen Raum. Beide (Asylsuchende in der Großstadt/im Landkreis) sollten aus unserer Sicht den gleichen Zugang haben zu professioneller Rechtsberatung im Einzelfall. (Gemeint ist ausdrücklich nicht eine allgemeine Sozialberatung und Begleitung von Asylsuchenden durch Vereine und/oder Ehrenamtliche!) Aber bereits die Fahrwege führen zu einem erheblichen Zeit- und Kostenmehraufwand für Asylsuchende im Landkreis, sofern sie überhaupt von einem solchen Angebot erfahren.
Dass Verwaltung gerade diesen Vorschlag nicht positiv bewerten wird, versteht sich von selbst. Aus dem Blickwinkel des Staates ergeben sich aus einer Verlängerung eines Asylverfahrens höhere Kosten. Zudem ist der Kreis nicht zur Erfüllung dieser Aufgabe verpflichtet.
Dennoch haben wir diese Forderung aufgenommen, weil sie aus der Sicht der Betroffenen vonnöten ist und Rechtsstaatlichkeit durchsetzen hilft. Um staatliche Einflussnahme auf die Erfüllung dieser Aufgabe auszuschließen, haben wir die Kopplung dieses juristischen Angebotes an die Sächsischen Verbraucherschutzzentralen vorgeschlagen. (Wir schreiben bewusst „vorzugsweise“, weil natürlich auch andere Lösungen möglich wären und weil dieser Vorschlag maßgeblich davon abhängt, ob die Verbraucherschutzzentralen sich dieser neuen, speziellen Aufgaben stellen.)
Ungeklärt ist die Finanzierung der vorgesehenen Fachkräfte. Vorstellbar wäre u.a. eine Projektfinanzierung. Allerdings erahnen wir die Reaktion der Landkreisverwaltung, die ähnlich ausfallen dürfte, wie bei sogenannten „freiwilligen“ Leistungen im Jugendhilfebereich. Das aber macht diese Forderung nicht obsolet, genauso wenig wie die nach der Gesundheitskarte, die ja auch vehement von der Landkreisverwaltung abgelehnt wird.
Kategorien: DIE LINKE. Görlitz
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